Mittwoch, 17. Dezember 2014

Mittwoch, 10. Dezember 2014

Southampton 1-2 Man United: Ein dreckiger Sieg

Der katastrophale Saisonstart nach van Gaals Antritt scheint in Vergessenheit zu geraten. Die Red Devils hievten sich mit dem Auswärtssieg in Southampton auf Position Drei und haben auf die eigentliche Konkurrenz um die CL-Qualifikation Arsenal (5 Punkte), Spurs (7) und Liverpool (7) passablen Vorsprung. Weil genannte einen noch unwürdigeren Start hingelegt haben. Auf das Spitzenduo Chelsea und Man City fehlt allerdings noch einiges.

Einfallslos und feig
Größtes Manko gegen Soton, war das Kreieren von Tormöglichkeiten. Das beweist der Blick auf die Schussbilanz. Nur drei mickrige Schüsse, wovon zwei aufs Gehäuse von Fraser Forster gingen. Wenn man’s positiv sehen will: 100 Prozent Ausbeute. Der Weisheit letzter Schluss kann dies aber natürlich nicht sein. United hat außerordentlich von der fehlende Effizienz Southamptons profitiert. Trainer Koeman hat dies nach Schlusspfiff ebenso bekrittelt, wie Analyst Neville, der der Meinung war, United hätte sich alles erlauben dürfen. Von Southamptons 15 Schüssen gingen lediglich vier aufs Tor von De Gea. Hervorragend wird der Mangel an Kreativität bei United durch folgende Passgrafik verdeutlicht.


Bis 25 Meter vor dem Tor zirkuliert der Ball ungleich anders als bei anderen Teams. Kommt United aber in die gefährliche Zone, findet das Kurzpassspiel ein abruptes Ende. Der Mangel an Kreativität wird verdeutlicht, dass United nur sechs Mal in der Lage war ein Zuspiel in den Strafraum zu befördern. Kein einziges fand dabei seinen Adressaten. Weiters fällt das hohe Passaufkommen auf den Außenpositionen auf, was grundsätzlich nicht negativ ist. Dies wird untermauert, dass unter den vier häufigsten Manchester-Kombinationen gleich dreimal die Zuspiele der Outlinie entlang sind: Young-Rojo (16), Rojo-Young (13) und Evans-Valencia (10). United nutzt durch das Flügelspiel die komplette Breite des Feldes um den gegnerischen Abwehrverbund auseinander zu ziehen um so einfacher in die Schnittstellen zu gelangen. Durch die tiefe Grundposition der Flügelspieler, erhalten diese aber meist schon auf Höhe der Mittellinie den Ball, wodurch ein direktes Zuspiel in die Sturmspitze beinahe unmöglich wird. Folgende Grafiken untermauern diesen Sachverhalt; es werden die Vorwärtspässe von Young und Valencia illustriert.



Die tiefe Grundposition der beiden war ebenso ausschlaggebend für das mangelhafte Flankenspiel. United flankte nur sechs Mal nahe der Grundlinie, einmal davon per Corner, dafür aber fünf Mal bereits aus dem Halbfeld. Während Young insgesamt fünf Mal den Ball von der Seite in den Strafraum schlug, flankte Valencia lediglich ein einziges Mal.

 

Der Mangel an Anspielstationen, durch das Unterlassen von Freilaufbewegungen und der nicht vorhandene Wille nach vorne zu spielen wird durch folgende Tabelle untermalt. Sie zeigt die Summe der gespielten Pässe, wie viele davon nach vorne, nach hinten und quer gespielt wurden. In der Klammer der Anteil an den Gesamtzuspielen.


Fazit
Uniteds Führung ging ein fürchterlicher Rückpass von Kapitän Fonte voraus, den van Persie mühelos abfing. Der Ausgleich wiederum wurde durch einen katastrophalen Querpass von Fellaini eingeleitet und eine passive Manchester-Hintermannschaft, die zu siebent keinen Zugriff auf den Ballführenden oder den Ball bekommt. Der abermalige Führungstreffer für die Devils resultierte aus einem langgezogenen Rooney-Freistoß aus dem Halbfeld, bei dem Southamptons Raumdeckung versagte. Insgesamt war der Sieg für Man United mehr als schmeichelhaft. Van Gaals Jungs agierten trotz zuvor vier Siegen en suite ängstlich und passiv und zeigten nur mangelhafte Ansätze eines Spiels in die Spitze. Die zahlreichen Zuspiele in die Breite und rückwärts beweisen dies. Zwar versuchte United viel über die Flügel zu lösen, Young, vor allem aber Valencia, schienen durch ihre Defensivaufgaben in ihren Offensivaktionen massiv eingeschränkt.

Donnerstag, 4. Dezember 2014

Stilblüten III: David Ginola

Der Franzose wechselte 1995 von PSG auf die Insel nach Newcastle. Am 3. Spieltag gewannen die Toons das Auswärtsspiel bei Sheffield Wednesday mit 2:0. Nach der Partie gönnte sich Ginola seine übliche Zigarette, die er nach eigenen Angaben, vor und nach Spielen zum Druckabbauen und Entspannen rauchte. Als seine Mitspieler ihn dabei ertappten, waren sie über dessen Einstellung entsetzt und verpfiffen ihn bei Trainer Kevin Keegan. Dieser ermahnte Ginola mit erhobenem Finger und wies ihn zurecht. In England sei solch unprofessionelles Verhalten nicht üblich und könne nicht geduldet werden. Ginola möge sich doch den lokalen Gepflogenheiten anpassen. Auf der Heimreise blieb der Spielerbus an einem Lokal stehen. Die Spieler aßen fettige Fish and Chips aus Zeitungspapier, Schokolade und Gummizeug.

Mittwoch, 3. Dezember 2014

Dortmund hat nur Pech

Billy Beane gilt als Urvater der Moneyball-Jahre im American Baseball. Wegen der finanziellen Lücke zu Großteams wie den Boston Red Sox, versuchte er mittels Sabermetrics unterbewertete Spieler zu identifizieren und diese zu werben. Der resultierende Erfolg und die dramaturgische Aufarbeitung im Film „Moneyball“ mit Brad Pitt, brachte diese Thematik schließlich auch nach Europa. Während American Football, Baseball und Eishockey seit Jahren eng mit allen möglichen Statistiken und Kennzahlen verwoben sind, steckt die statistische Aufarbeitung und Analyse des europäischen Fußballs noch in den Kinderschuhen. Richtig salonfähig wurden Kennziffern wie Ballbesitz oder Laufleistung erst seit der Zeit ab Guardiola. Dennoch müssen diese Werte zwecks Aussagekraft in Zukunft noch überarbeitet werden, was bringt einer Mannschaft auch 70 Prozent Ballbesitz, wenn der nur in der eigenen Hälfte stattfindet? Oder 92 Prozent erfolgreiche Pässe, wenn der Großteil nur horizontal zum anderen Innenverteidiger gespielt wird?

So wird natürlich versucht, nicht nur die Leistung eines einzelnen Spielers greifbar zu machen, sondern auch die einer gesamten Mannschaft. Natürlich, am Ende des Tages zählen nur die Punkte in der Tabelle. Doch stellt sich die berechtigte Frage: Spiegelt der Punktestand die tatsächliche Qualität einer Mannschaft wieder?

Erzielte Tore geben oft ein verzerrtes Bild über die Qualität zweier Mannschaften wieder. Besonders im Fußball spielt der Faktor Zufall eine größere Rolle als in oben genannten American Sports. Grund hierfür ist der geringere Spielfluss in jenen Sportarten. Aktionen im American Football beispielsweise, sind Standardsituationen im Fußball ähnlich. Es handelt sich um eine von der ballbesitzenden Mannschaft zuvor planbare Aktion, die im Training eingeschliffen werden kann. Schlägt die Aktion fehl, wird das Spiel mit einer neuerlichen einstudierten Variante fortgesetzt. Während im Fußball nach einer missglückten Eckballvariante der Konter läuft und ein Team trotz aller Überlegenheit in der 89. Minute das 0:1 fangen kann. James Grayson, ein kanadischer Statistiker, hat sich dem Thema gewidmet und im Eishockey schon lang bekannte Zahlen auf den Fußball adaptiert. Zwei wesentliche Gradmesser für die Qualität einer Mannschaft sind die Total Short Ratio (TSR) und die PDO. Letztere ist kein Akronym, sondern der Username ihres Erfinders, Brian King.

Total Shot Ratio & Expected Goals Ratio
Der optimalste Gradmesser für Qualität von Fußballmannschaften stellt folglich die Anzahl der Schüsse dar. Die TSR setzt eigene Schüsse in Relation zu den Schüssen beider Mannschaften eines Spiels.

TSR = shots / (shots + conceeded shots)

Liegt der Wert über 0,5, hat ein Team öfter geschossen als sein Gegner; beträgt der Wert 1, hat jenes Team alle Schüsse in einem Match abgefeuert. Plakativ könnte man nun natürlich sagen: Je mehr Schüsse, desto besser ein Team. Dem ist natürlich nicht so. Team A schießt achtmal aus Verzweiflung aus 30 Metern und erzeugt dabei kaum ähnliche Gefahr wie Team B, welches zwei herausgespielte Abschlüsse aus zehn Metern verzeichnet. Dennoch wäre die TSR für Team B nur 0,2. Also ist Schuss nicht gleich Schuss.

Statistiker haben hierfür wiederum die Expected Goal Ratio (ExpGR) entwickelt. Sie ordnet jedem Schuss einen qualitativen Wert zu. Abschlüsse vom Fünfer besitzen einen höheren Wert als Schüsse aus 30 Metern. Alle Werte werden nach Spielende summiert. Liegen die tatsächlich erzielten Tore einer Mannschaft über der ExpGR, ist das Team überdurchschnittlich effizient. Bleibt zum Abschluss nur noch die Frage: Wie ordne ich den Schüssen qualitative Werte zu? Statistiker haben hierfür komplexe Methoden. Eine Möglichkeit für den Laien stellt allerdings die TSR für den Strafraum dar. Eine Analyse von Martin Andermatt für die Euro 2012 hatte ergeben, dass 88 Prozent aller Tore innerhalb des Strafraumes erzielt wurden. Insofern werden die abgefeuerten Schüsse im Strafraum in Relation zu allen in einem Spiel im Strafraum durchgeführten Schüsse gesetzt, um die qualitativ hochwertigen Abschlüsse zu erfassen. Für die deutsche Bundesliga nach 13 Spieltagen ergibt sich folgendes Bild, die Ziffern in Klammer entsprechen dem aktuellen Tabellenrang:

Team TSR (16er)
Bayern (1) 0,778
Leverkusen (3) 0,653
BVB (18) 0,620
Wolfsburg (2) 0,583
Augsburg (4) 0,515
Frankfurt (9) 0,491
Hoffenheim (7) 0,490
Freiburg (15) 0,479
HSV (17) 0,476
Gladbach (5) 0,471
Paderborn (11) 0,468
Mainz (10) 0,457
Hertha (13) 0,455
Hannover (8) 0,445
Stuttgart (16) 0,440
Schalke (6) 0,424
Werder (14) 0,422
Köln (12) 0,314
 
Großteils stimmt die TSR mit der aktuellen Tabellenregionn überein. Krasser Ausreißer ist natürlich Borussia Dortmund. Die Schwarz-Gelbe stehen völlig überraschend am Tabellenende. Eine TSR (Strafraum) von 0,620 beweist aber, dass die Jungs von Jürgen Klopp gemessen ihrer Qualität ganz woanders stehen müssten. Die drittmeisten Torschüsse (das gesamte Feld betrachtet) abgegeben, die drittwenigsten Torschüsse zugelassen. Das große Manko ist allerdings die Verwertung. Nur 6,3 Prozent aller BVB-Schüsse landen im Netz. Nur der HSV ist noch schlechter; der Bundesliga-Mittelwert liegt bei 10,7 Prozent. Außerdem gehen lediglich 30 Prozent der BVB-Schüsse auf das Gehäuse. Auch hier ist nur der HSV und - welch Überraschung - Bayer Leverkusen noch schlechter. Die Bayer-Elf scheint jedoch mit Bellarabi und Son über mehr Qualität zu verfügen, was auch die Statistik beweist: 10,4 Prozent aller Leverkusener Schüsse landen im Netz. Auch Freiburg und Hamburg scheinen der TSR zu Folge über größeres Potenzial zu verfügen als es der Tabellenplatz erahnen lässt. Als große Schwachstelle der Rothosen werden die zugelassenen Schüsse im eigenen Torraum ausgewiesen. In jedem Bundesligaspiel darf der HSV-Gegner 1,31-mal vom Fünfer abziehen. Die gleiche Schwachstelle hat der VfB Stuttgart. Bei den Schwaben liegt dieser Wert sogar bei 1,395-mal.

PDO
Ob nun eine hohe TSR tatsächlich einen Tabellenplatz an der Sonne sichert, hängt natürlich davon ab, ob die Schüsse auch reingehen. Oder der Handschuh hinter einem auch mal einen Unhaltbaren fischt. Diese Ergebnisse fasst die PDO zusammen. Sie addiert den Prozentsatz verwandelter Torschüsse mit dem Prozentsatz gehaltener Schüsse. Aus ästhetischen Gründen wird die Summe mit 1000 multipliziert.

PDO = 1000 * (sh% + sv%)

Ein Torschuss kann zwei Ergebnisse haben: Tor oder gehalten. Der Mittelwert aller Aktionen ist 1. Ein kleines Beispiel stellt dies verständlich dar: In einer Saison wird insgesamt 750-mal auf das Tor geschossen (n=750). Davon werden 10 Prozent der Schüsse verwandelt ergo werden 90 Prozent pariert. Das Ergebnis beträgt 1 bzw. die PDO 1000. Je kleiner n jedoch ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die PDO größeren Schwankungen um 1000 unterliegt als bei größerem n. Dies besagt das Gesetz der großen Zahl und kann durch ein Praxisbeispiel verdeutlicht werden. Werfe ich eine faire Münze ist die Wahrscheinlichkeit für Kopf und Zahl jeweils 50 Prozent. Der Mittelwert ist demnach 0,5. Wenn ich die Münze nun zehnmal werfe, ist es aber nicht unwahrscheinlich, dass vielleicht nur zweimal Kopf kommt. Wenn die Münze erneut zehnmal geworfen wird, kommt vielleicht viermal Kopf. Insofern liegt der Mittelwert nach der zweiten Serie bereits bei 0,3 ( (0,2+0,4)/2). Je öfter die Münze geworfen wird, desto eher nähert sich der Mittelwert dem erwarteten Mittelwert von 0,5. Für die PDO lässt sich daraus ableiten, dass Leistungen von ≤980 und ≥1020 durch Zufall, Glück und Pech resultieren. Auf Grund des Gesetzes der großen Zahl kann die PDO kurzfristig aber sehrwohl gröberen Schwankungen unterliegen, wie dies folgende Tabelle zeigt. Diese normalisieren sich in der langen Frist (aber einer Saison) aber wieder gegen den Mittelwert.



Montag, 1. Dezember 2014

Spurs 2-1 Everton: Die reifere Spielanlage führte zum Sieg

Und das, obwohl die Toffees wie die Feuerwehr loslegten. Von Beginn weg nagelten sie die Hausherren in deren eigener Hälfte fest. Verschnaufpausen konnten sich die Spurs nur durch unkontrollierte Befreiungsschläge verschaffen, die aber fünfzehn Sekunden später wieder ins das für die Spurs gefährliche Drittel retourniert wurden. Nach vierzehn Minuten gelang Kevin Mirallas per gefühlvollem Schlenzer von der linken Strafraumecke ins rechte Kreuzeck der verdiente Führungstreffer. Nachdem die Freistoßflanke von Baines aus dem Strafraum geköpfelt wurde, eroberte der Belgier den zweiten Ball. Eine taktische Eigenheit mit der die Gäste aus Liverpool mit Fortdauer der Partie zunehmend zu kämpfen bekamen.

Schnell in die Spitze
Die Spurs änderten ihre Ausrichtung und attackierten Everton nun bereits im Mitteldrittel; ihr Konterspiel hielten sie aufrecht. Durch den ersten Schuss auf Tim Howard gelang den Gastgebern prompt der Ausgleich. Baines schlägt den Ball lang in die Sturmspitze, da der anlaufende Kane den Passweg auf den sich kurz anbietenden Barry geschickt verhindert. Allerdings landet der Ball bei Vertonghen. Nach der Balleroberung ging es wie geplant schnell. Hier wird erneut der lange Ball von Baines tragend, da auf Grund des kurzen Anbietens von Barry die Staffelung der Toffees im Zentrum in dieser Situation zu große Abstände aufweist. Barry versucht per Sprint die Lücke auf Besic zu schließen, der wiederum fünfzehn Meter hinter Eto’o versucht irgendwie das Zentrum zu sichern. So können die Spurs mit drei schnellen Kurzpässen die komplette Zentrale von Everton überspielen, wodurch der Ball zu Kane gelangt. Baines steht nach seinem misslungenem Flugball immer noch zu weit außen vom Rest der Viererabwehr, Barry hechelt wiederum in die andere Richtung hinterher und der hüftsteife Distin kommt mit der plötzlichen Richtungsänderung Kanes nach innen nicht zu recht. Dessen Schuss kann Howard noch parieren, Eriksen ist aber der schnellste am zweiten Ball und verwertet zum Ausgleich.

Der letzte Pass
Nach dem Ausgleich, verloren die Toffees den Faden. Sie zogen sich zunehmend in ihre eigene Hälfte zurück, begegneten den Spurs aber mit aggressivem Mittelfeldpressing. Trotz 61 Prozent Ballbesitz war Everton selten in der Lage, gefährliche Torchancen zu kreieren. Eto’o der hinter Lukaku zentral im offensiven Mittelfeld agierte, nahm zu selten am Spielgeschehen teil; seine Laufwege erinnerten eher an seine übliche Position als Mittelstürmer. So war es vorwiegend der junge Ross Barkley, der sich in der Offensive zerriss und gefühlt bei jedem Angriff seine Füße im Spiel hatte. In Ballbesitz pflegte Everton einen geordneten, aber oftmals behäbigen Spielaufbau. Tottenham war so in der Lage sich ohne großen Druck zu organisieren. Pochettino veranlasste zwei massive Viererketten, welche für Evertons Offensivspiel zu unüberwindbaren Barrieren werden sollten. Die üblichen Analogien vom Handball wurden ersichtlich als Martinez’ Mannen 25 Meter vor dem Kasten von Hugo Lloris den Ball vom rechten Flügel, über die Zentrale auf den linken Flügel und wieder zurück kreisen ließen. Antritte in die Tiefe, flottes Kombinationsspiel oder Eins-gegen-Eins-Situationen (mit Ausnahme von Ross Barkley), um den Spurs-Beton zum Bröckeln zu bringen, waren Mangelware.

Immer diese Konter
Auch der zweite Treffer der Spurs fiel durch einen Konter. Barry ist aus unerfindlichen Gründen im Mittelfeld zu lange am Ball. Ein Blick auf die Uhr verrät, dass die Nachspielzeit nur noch 15 Sekunden gehen sollte. Insofern zwei Möglichkeiten: Der Sicherheitspass nach hinten, den Kane aber durch geschicktes Anlaufen antizipiert, oder ein langes Zuspiel in die Spitze um entweder noch eine Chance zu kreieren, aber zumindest keine Gefahr mehr vor dem eigenen Tor zuzulassen. Folglich verliert der ehemalige Nationalspieler die Kugel an den aggressiven Kane. Und dann geht’s wieder schnell. Kane, Soldado, Eriksen, Lennon (mit Ball) und Mason sprinten im höchsten Tempo auf das Innenverteidigerduo Distin-Jagielka. Die breit stehenden und aufgezogenen Baines (links) und Coleman können nicht mehr eingreifen. Die Spurs nutzen die Überzahl und Soldado netzt zum ersten Mal seit März.

Planlos
Der Vorsprung spielt Tottenham in die Karten. Im zweiten Durchgang lässt Mauricio Pochettino die beiden Viererketten den Gegner erst 30 Meter vor dem eigenen Gehäuse attackieren. Der zu bespielende Raum wird für ideenarme Toffees umso enger. Der Ire McGeady und Everton-Urgstein Osman sollen für frischen Schwung sorgen, spielen aber zusammen in der verbleibenden halben Stunde 32 Pässe. Zwar finden 27 davon ihren Adressaten, im Angriffsdrittel werden davon allerdings nur vier in Richtung Tor und zu einem Mitspieler gespielt. Insgesamt gehen sogar 12 Zuspiele zurück. 


Ein weiteres Beispiel ist die Schussbilanz der Toffees. Von den insgesamt zehn Schüssen wurden nur drei innerhalb des Strafraumes abgefeuert. Sturmspitze Lukaku zog zwei von dreimal von zwanzig Meter oder einer noch ferneren Distanz ab. Im Strafraum gelang dem Belgier nur ein Abschluss. Der rote Strich beinahe ins Seitenaus war im übrigen der einzige „Torschuss“ von Samuel Eto'o.

 


Conclusio
Die Spurs mit der reiferen Spielanlage. Trotz des frühen Rückstandes ließen sie sich nicht beirren und vertrauten auf ihre Stärken. Das überfallartige Umschaltspiel nach Balleroberung, was unpopulär ausgedrückt nichts anderes als Kontern ist, kam hervorragend zur Geltung. In Halbzeit Zwei hatten die Spurs nicht zu befürchten, Everton zahnlos und lahm wie ein alter Dackel. Im Gegenteil hatte Tottenham durch weitere Konter über Kane und den eingewechselten Lamela eine noch höhere Führung am Fuß.

Sonntag, 30. November 2014

Kleine Helden, Große Mythen

Die Sonne stand zum Anpfiff tief. Dennoch ronnen den meisten Spielern bereits beim Betreten des staubigen Spielfeldes salzige Tropfen die Stirn hinab. Österreich gegen Italien.  Die Azzurri kürten sich erst wenige Monate zuvor in Berlin zum Weltmeister. Frisch gebacken also. Das Selbstvertrauen konnte man in ihren dunklen Augen sehen. Nicht nur auf Grund des Titelgewinns. Historisch. Und überhaupt. Wir waren ja nur Österreicher. Überwiegend mit Spielern von steirischen und niederösterreichischen Vereinen. Es lag schon eine beträchtliche Zeit zurück als Vereine aus diesen Bundesländern das Gros des Nationalteams stellten. Auch ein Wiener stand im Aufgebot, kurioserweise von keinem der beiden großen Vereine. Auf der anderen Seite sie, die Italiener. Womöglich aus den schillernden Metropolen Mailand und Turin. Oder aus dem chaotischen Süden, Römer und Neapolitaner. Schnell lagen die Südländer mit zwei Toren voran. Das vorwiegend italienische Publikum entzückt. Das übliche Spiel bahnte sich an. Österreich war völlig von der Rolle, unorganisiert, die meisten von uns technisch unterlegen. Mit dem Rückstand schien auch die Hoffnung zu schwinden. Unsere Mannschaft steckte aber nicht auf, die Azzurri boten uns Paroli. Jeden Treffer den wir markierten, konterten die Italiener mit einem weiteren, sodass der Rückstand nicht und nicht schmelzen wollte. Flüche waren zu hören. „Wappler!“ Das Spiel wurde ruppiger. Eingeschüchtert durch die unerwartet forsche Spielweise der Österreicher, fühlte sich die Squadra sichtlich unwohl. „Cazzo!“. Hektisch dirigierte ihr lang gewachsener Abwehrchef, „Sinistra! SINISTRA!“. Mit brachialer Gewalt aber, drosch unser Stürmer gegen die Lederkugel, welche aus kurzer Distanz im Netz der Azzurrini wie eine Bombe einschlug. Ausgleich. Die Italiener, so schien es, warfen nun im Eifer des Gefechts die Nerven weg. Auch ihre Spielweise wurde aggressiver, schmutziger. Ein ums andere Mal klatsche ihr leichtfüßiger Zehner zu Boden. Der Schiedsrichter in Dauerbeschuss italienischer Beschwerden aber zu eingeschüchtert, um den unsauberen Methoden der Azzurri Einhalt zu gebieten. Unser tapferer Schlussmann aber hielt bravourös. „Merda!“ Die Verzweiflung der Azzurrini in Anbetracht des Ergebnisses war förmlich zu spüren. Peinlich eine mögliche Schmach gegen das kleine Österreich. Und nicht mehr lange zu spielen. Die Österreicher zollten nun dem hohen Tempo oder den heißen Temperaturen - oder beidem - Tribut. Die Konzentration schwand. Die Squadra, angepeitscht von einem kreischenden, vornehmend weiblichen, Publikum. Die Österreicher, aber den Hauch einer möglichen Sensation witternd und mit dem schieren Mut der Hoffnung. Ein langer Ball, geschlagen von unserem robusten Abwehrspieler, an die linke Flanke, kann vom Außenläufer noch vor dem Aus gerettet werden. Die Azzurrini aber, wollen um jeden Preis die Kugel und doppeln forsch. Mit der Schulter kann ich mir den einen Angreifer vom Leib halten, spitzle die Haut am zweiten vorbei und dringe festen Schrittes in den Strafraum. In dem Moment als der italienische Torhüter wie ein Berserker auf den Ball und mich stürtzt, drücke ich mit links erbarmungslos ab. Zoffs Erben bleibt keine Chance. Das Leder schlägt wie eine Kanonenkugel im löchrigen Netz ein. Sechs zu Fünf für Österreich. Die Italiener, bestürzt über das Ergebnis, weisen sich wild gestikulierend und temperamentvoll fluchend Beschuldigungen am Untergang zu. Wenige Momente später beendet der tunesische Unparteiische die Begegnung. Noch Minuten nach dem Abpfiff genieße ich das Gefühl, den Weltmeister besiegt zu haben. Die meisten der Spieler aber interessiert das nicht mehr die Bohne. Sie springen, lechzend nach Abkühlung, in den blau schimmernden Pool oder werden von ihren Eltern abgeholt, um sich für das Abendessen frisch zu machen.

Mittwoch, 19. November 2014

Schöpferische Zerstörung

In der Ökonomie geht der Begriff sinngemäß bereits auf Karl Marx zurück. Der Österreicher Josef Schumpeter, nach welchem in Wien-Floridsdorf eine Straße und eine Volksschule benannt sind, hat das Konzept der schöpferischen Zerstörung schließlich bekannt gemacht. Auch Friedrich Nietzsche hat ähnliches philosophiert. Grundidee ist: Fortschritt gedeiht nur, wenn fortwährend und regelmäßig an Innovationen gearbeitet wird und so bestehende Muster aus eigener Kraft zerstört werden.

Dass dieser Innovationsprozess oftmals „ein Schritt zurück, zwei Schritte vorwärts“ bedeutet, spüren gerade die Nationalmannschaften Deutschlands und Spanien. Dabei hat sich die Mannschaft gegen die Amateure aus Gibraltar nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Auch der gestrige Auftritt in Vigo war keine Augenweide, aber doch eine adrettere Leistung als freitags zuvor. Dabei zerstört Löw gerade sein Weltmeister-System und versucht sich schöpferisch an einem kompakten 3-3-3-1. Ein System, das Paul Gludovatz bereits in seiner Rieder Zeit einsetzte. Gegen den Ball hat das in Vigo schon ziemlich gut ausgesehen. Wie Löw nach dem Spiel erklärte, wurde zentral vor dem Tor ein massiver Block aufgebaut. Die Flanken wurden dabei von den Flügelspielern Rudy und Durm dicht gemacht und so mit einer Fünferabwehr agiert. So wurde gegen die furia roja, die auch nicht mehr so furios aufgeigt, wie noch vor zwei Sommern, immerhin kein Gegentreffer kassiert. In Ballbesitz wirkte die DFB-Elf im Angriffsdrittel zahnlos. Selbst die äußeren Innenverteidiger zogen bei Angriff über ihre Flanke tief in die gegnerische Hälfte auf, der entscheidende Pass wollte jedoch partout nicht gelingen. Das Anlaufen und gleichzeitige Räume öffnen könnte in Zukunft aktiver gestaltet werden. Gegen Gibraltar hingegen wurden die Flanken massiv beackert, die Hereingaben fanden aber nur selten einen Abnehmer. Sie wären wohl ein gefundenes Fressen für Kießling, Gomez oder den zurückgetretenen Klose gewesen. Apropos Rücktritte, diese sind ein weiterer Faktor für den Änderungsprozess. Allen voran Kapitän Lahm, der fußballerisch und sicherlich auch sozial eine riesige Lücke gerissen hat. Nicht zu vergessen Per Mertesacker, der in Brasilien sechs von sieben Spielen im Abwehrzentrum bestritt.

Die Deutschen scheinen den Fehler der Spanier nicht zu wiederholen, stur an einer Spielweise festzuhalten. Löw erweitert das taktische Repertoire seiner Mannschaft, wohl wissend, dass dies Geduld erfordere. Bis zur Euro in Frankreich aber genügend Übungszeit bevorsteht. Ganz im Gegensatz zu den Spaniern, die auch in Brasilien 2014 an ihrem einst innovativen Spiel festhielten und bedauerlich feststellen mussten, dass bereits die ganze Welt Maßnahmen adaptierte, der Furie die Zähne zu ziehen.

Stilblüten I: Paul Gascoigne

Wohl eher eine verwelkte Blüte: Gascoigne war bereits am absteigenden Ast und spielte 2001/02 für die Toffees. Am 12. Jänner 2002 war Sunderland zu Gast in Goodison. In seinem Buch „Glorious“ schreibt Gazza:

In der Nacht vor dem Spiel trank ich dreieinhalb Flaschen Wein, nahm elf Schlaftabletten, wurde um sechs Uhr morgens zitternd wach, nahm noch ein paar Tabletten, leerte den restlichen Wein, schlief wieder ein, wurde gegen neun Uhr erneut wach, nahm einen dreifachen Brandy, noch eine Schlaftablette, rauchte einen Joint und fuhr zum Spiel. Ich war in katastrophaler Verfassung also trank ich noch einen dreifachen Brandy, nahm noch eine Schlaftablette, ging raus und legte ein Superspiel hin. Danach fuhr ich heim und schlief ein. Am nächsten Morgen fragte ich Jimmy [Anm.: „Five Bellies“, ein langjähriger Freund von Gascoigne] wie ich gespielt habe. „Schau auf den Tisch“, sagt er und zeigte zu einer Sektflasche: „Du wurdest Spieler des Tages.“

Montag, 23. Juni 2014

Erste Erkenntnisse

Traditionell mühen sich die europäischen Mannschaften bei Endrunden auf dem südamerikanischen Kontinent. Brasilien 2014 ist da keine Ausnahme. Der Europameister aus Spanien ist bereits nach zwei Gruppenspielen aus dem Rennen. Vizeeuropameister Italien hadert mit formstarken Costa Ricanern und bestreitet  – natürlich gegen Südamerikaner – gegen Uruguay bereits ein Endspiel. Ein blasses England findet sich ebenfalls am Gruppenende wieder. Die einzigen europäischen Teams, die bis dato annähernd zu überzeugen wussten, waren die Niederlande und Frankreich.

Drei Innenverteidiger
Sehr auffällig sind die kompakten Abwehrreihen. Drei Innenverteidiger und offensive Außenverteidiger. Ich hatte die Italiener eigentlich von Start weg in dieser Defensivformation erwartet. Immerhin praktiziert Antonio Conte bei Juventus genau dieses System. Bonucci-Barzagli-Chiellini vor Torhüter Buffon. Im finalen Gruppenspiel gegen Uruguay wird Cesare Prandelli nun umformieren. Louis van Gaals Niederlande praktizierte im Auftaktmatch gegen Spanien eine ähnliche Herangehensweise. Zumindest am eigenen Strafraum. War der Weltmeister im Spielaufbau noch in seiner eigenen Hälfte oder auf Höhe der Mittelinie, rückte einer der drei Innenverteidiger stoßweise ins defensive Mittelfeld um dort de Guzman und de Jong zu unterstützen. Ähnlich agierten die Chilenen gegen den Weltmeister. Fünferabwehr und hoch verteidigend. Sowohl bei den Niederlanden als auch bei Chile entstand bei gegnerischem Ballbesitz zwischen Verteidigern und Stürmern eine Distanz von etwa zwanzig Metern. Eine Verknappung des Raumes, was gepflegtes Kurzpassspiel extrem erschwert.

Brasilien gegen Mexiko, ein ähnliches Bild. Die Mexikaner mit drei Innenverteidigern um den Raum im Angriffszentrum für die Brasilianer noch enger zu gestalten. Auch bei Mexiko, genauso wie die Niederlande, tritt der ballnahe Innenverteidiger ins defensive Mittelfeld vor, die Außenverteidiger rücken ein. Insgesamt stehen die Mexikaner in dieser Partie tiefer als die Niederlande oder Chile gegen Spanien, was womöglich der höheren Dynamik der brasilianischen Offensivspielern geschuldet ist. Außerdem beteiligen sich die mexikanischen Spitzen dos Santos und Peralta nicht im selben Ausmaß an der Defensivarbeit wie Robben, Sneijder oder Alexis Sanchez. Zwar wird dadurch die Lücke zwischen Abwehr und Sturm größer, der Gegner ist durch die höher stehenden Angreifer aber gleichermaßen gezwungen mit mehr Mann tiefer zu stehen.

Vertikalspiel
Die fehlende Organisation in der gegnerischen Abwehr nutzen. Ralf Rangnick hat einmal eine 8-Sekunden-Regel propagiert. Acht Sekunden nach Ballgewinn soll der Torabschluss folgen. Dem Gegner keine Zeit zur Neuorganisation seiner Reihen lassen und so die Lücken im Abwehrverbund nutzen. Frankreichs Tore geben hierfür bei der diesjährigen WM eine Bilderbuchvorlage ab. Das 2:0 gegen Honduras, genauso wie das 2:0, 3:0, 4:0 und 5:0. Alles Beispiel, dass sich die Franzosen nicht lange mit Ballbesitzspiel auseinandersetzen, sondern durch Passspiel in die Spitze raschen Raumgewinn erzielen wollen und so bald als möglich in aussichtsreiche Distanz für einen Torabschluss wollen. Wie die Equipe Tricolore dieses Ziel erreicht, setzen sie sehr variabel um: Flanken auf den bulligen Benzema sind genauso erfolgversprechend, wie Steilpässe oder Kurzpassspiel. Ein ähnliches Spiel praktizierten die Niederländer im übrigen gegen Spanien, als der Weltmeister sehr hoch verteidigte und so den flinken niederländischen Angreifern reichlich Platz zum Kontern gab.

Sonntag, 15. Juni 2014

Spanien 1 Niederlande 5: Kompaktheit, Druck, lange Bälle


Viel war im Vorfeld dieser Endrunde über die satturierten Iberer gemunkelt worden. Eine Weltmeisterschaft, zwei Europameisterschaften, sie hätten doch eh bereits alles gewonnen. Und jünger würden sie auch nicht, Xavi, Iniesta, Casillas und wie sie nicht alle heißen. Mit dem Debakel zum Einstand mag sich der eilige Kritiker bereits in der Rolle des Propheten wähnen, die Jungs von Vicente Del Bosque aber bereits nach dem ersten Spieltag abzuschreiben, könnte fatal nach hinten losgehen. Denn Fakt ist, auch in Südafrika 2010 verlor die furia roja ihr erstes Gruppenspiel gegen die Schweiz (0:1), was folgte ist ja hinlänglich bekannt. Außerdem ist anzunehmen, dass das Spiel gegen den - zumindest am Papier - schwierigsten Gruppengegner hinter den Spaniern liegt, bei allem Respekt Chile sowie Australien eher nicht an das Niveau der Oranjes rankommen. Zudem ist es für einige Stars die womöglich letzte Teilnahme an einer Weltmeisterschaft, wer da glaubt, ein Vollprofi wie Xavi gibt nur mehr 90 Prozent, weil der Titel ohnehin schon auf seiner Visitenkarte steht, irrt wohl. Und zu guter Letzt: das Ergebnis selbst. Ein Schuss vor dem Bug zur richtigen Zeit.

Defensive: Kompaktheit, Druck
Harsche Kritik musste Bondscoach van Gaal für seine am Papier unorthodoxe Formation einstecken; viel zu defensiv sei diese. Und auch für den kolossalen Umbruch. Die drei Innenverteidiger Vlaar, de Vrij und Martins Indi wurden an den Flanken von Janmaat (rechts) und Blind unterstützt und bildeten quasi eine Fünferabwehr. Außerdem sollten davor de Guzman und besonders de Jong ordentlich staubsaugen. Für kreative Glanzzeichen war lediglich das Trio Sneijder-Robben-van Persie vorgesehen.

Die vermeidliche Fünferabwehr entpuppte sich bei genauerer Betrachtung schließlich doch als Viererkette und unterstütze de Guzman und de Jong situationsbedingt im defensiven Mittelfeld. Dies funktionierte so, dass der ballnahe Innenverteidiger (hier Martins Indi) heraustritt und als zusätzlicher defensiver Mittelfeldspieler für Druck sorgt. Die Außenverteidiger rücken ein, sodass im Abwehrzentrum gegen die spanischen Angreifer weiterhin in Überzahl agiert wird. Der Abwehrblock war schließlich kein 5-2, sondern ein aggressives 4-3.


Auch in der folgenden Szene, das selbe Bild. Wieder tritt Martins Indi aus dem Abwehrzentrum heraus und agiert als zusätzlicher Aggressor im Mittelfeld. Ein weiterer Erfolgsfaktor, war die mannschaftliche Kompaktheit der Elftal. Bei gegnerischem Ballbesitz, verengten die zehn niederländischen Feldspieler den Raum in der Tiefe auf gerade einmal etwa zwanzig Meter.


Noch krasser wurde die Situation, wenn der Weltmeister über die Flügel angriff. Nachdem die Niederlande nicht nur in der Tiefe den Raum auf etwa zwanzig Meter verengten, wurden sie nun in der Breite zusätzliche von der Seitenlinie unterstützt. Zudem rückten die Außenspieler (hier Robben und Blind) bis zur Mitte des Spielfeldes ein und verengten den bespielbaren Raum für die Iberer zusätzlich, sodass alle zehn niederländischen Feldspieler auf einer Fläche von gerade einmal 700 Quadratmeterlauerten.

 
Die Auswirkungen dieses massiven Mittelfeld- und Abwehrpressings finden sich neben dem Spielstand, auch in den Statistiken wieder. Spieler, die normalerweise an die hundert Pässe pro Match spielen, erreichten ihre Form nicht einmal ansatzweise: Xavi (78), Busquets (73), Iniesta (68), Xabi Alonso (60). Die taktische Disziplin der gesamten Elftal, auch Sneijder, Robben und van Persie verteidigten für ihre Verhältnisse tief in der eigenen Hälfte, die räumliche Enge bei spanischem Ballbesitz und das sofortige Unterdrucksetzen waren wohl die Hauptgründe weswegen der Weltmeister nicht in der Lage war sein kultiviertes Kurzpassspiel aufzuziehen.

Offensive: Lange Bälle hinter die Abwehr
Schließlich hatte Louis van Gaal in der Offensive ein für niederländische Verhältnisse wahrlich untypisches Mittel parat: lange, hohe Zuspiele. Schon im Halbfinale der Champions League zeigte Real Madrid gegen Bayern München, wie schnelle Spieler einen hochstehenden Gegner verwunden können. Dies versprach auch freitags Erfolg. Kurz vor dem Ausgleich wurde Robin van Persie nach einen Flugball von Martins Indi noch wegen Abseits zurückgepfiffen (36.). Wenige Minuten später war ein ähnliches Zuspiel von Blind auf den selben Adressaten erfolgreich. Auf den Ausschnitten ist zu erkennen, dass van Persie beim Abspiel von Blind noch gut dreißig Meter bis zur gegnerischen Torlinie vor sich hat, also massig Raum. Den Sprint beginnt van Persie allerdings schon bei der Ballmitnahme von Blind, da sind es sogar noch etwa 35 Meter. Wunderbar zu erkennen ist auch die längere Reaktionszeit von Sergio Ramos im Vergleich zu van Persie. Ist der Niederländer im ersten Ausschnitt noch zwei Meter hinter Ramos, aber bereits voll in der Bewegung, hat der Niederländer im zweiten Ausschnitt bereits einen Meter Vorsprung auf den jetzt erst startenden spanischen Innenverteidiger.


 

Das 2:1 war dann fast eine Kopie des Ausgleichs. Blind mit einem gehobenen Zuspiel aus dem linken Halbfeld, in den Rücken des ballnahen Innenverteidigers. Robben deutet per Bogenlauf mustergültig einen Sprint die Linie entlang an und driftet ins Zentrum. Auf Grund der verzögerten Reaktion und der ohnehin geringeren Geschwindigkeit hechelt Pique Robben bereits meterweit hinterher. Ramos rückt wiederum zu spät ins Abwehrzentrum und rechnet darüber hinaus erst gar nicht, dass der Flügelspieler von Bayern München Blinds Zuspiel direkt verarbeiten könnte, wodurch der Innenverteidiger von Real Madrid seinen Laufweg anpassen muss und wiederum Distanz zu Ball und Gegner verliert.


Ähnliches Bild beim fünften Treffer. Der Ball befindet sich am Strafraum der Niederländer, die spanische Abwehr steht demnach sehr hoch. Sneijder leitet mit einem langen Zuspiel 23 Meter vor dem eigenen Tor(!) auf Robben den Konter ein. Zu diesem Zeitpunkt steht Ramos, der letzte Verteidiger und später dann Gegenspieler im Sprintduell, etwa 15 Meter näher am Tor der Spanier als Robben. Weil sich Ramos beim Zuspiel aber nicht sofort fallen lässt und darauf spekuliert Robben noch in einen Zweikampf zu verwickeln, ist der Raumvorsprung für Ramos bereits an der Mittellinie egalisiert. Damit ist es ihm nicht mehr möglich das Spiel zu verzögern um Unterstützung durch Mitspieler zu erhalten oder Robben zu lenken und verstrickt sich damit in ein Sprintduell mit Robben.

Fazit
Defensiv machten die Niederländer die Räume für den Weltmeister fast schon zynisch eng und verschoben in diesem kompakten Block dermaßen diszipliniert, sodass es für die Spanier kaum Möglichkeiten gab sich mit Hilfe ihres geliebten Tiki-Taka durch das engmaschige Defensivnetz der Niederländer zu kombinieren. Ballbesitz ist nun mal nicht alles. Van Gaals Jungs machten auch in der Abwehr des Weltmeisters die Schwachstellen aus: Der gewaltige Raum hinter der hochstehenden Abwehr, der durch Zuspiele auf die flinken van Persie und Robben handbuchmäßig genutzt wurde. Diese zwei taktischen Vorgaben könnten gegen die Spanier bestimmt auch noch von anderen Nationen mustergültig umgesetzt werden, von den taktisch hervorragenden Italiener mit Immobile und Insigne, Deutschland mit den schnellen Müller, Schürrle und Podolski oder die robusten Argentinier mit di Maria, Messi und Agüero.

Montag, 26. Mai 2014

Real 4 Atletico 1: Drei Fehler lassen Atleticos Traum wie eine Seifenblase platzen


Schon Tage vor dem großen Spiel gab es enormes Trara um die Startaufstellungen beider Teams. Bei den Königlichen stand hinter Cristiano Ronaldo und Bale ein dickes Fragezeichen. Die Zweifel zerstäubten sich aber bereits 24 Stunden vor Anpfiff. Mit größeren Schwierigkeiten hatten die Rojiblancos zu kämpfen. Um ihren zweitgefährlichsten Torschützen in dieser CL-Saison, Arda Turan, waren ebenfalls schon tags zuvor alle Zweifel aus der Welt: Der Türke würde für einen Einsatz nicht fit. So rückte Raul Garcia in die Startelf. Und Atleticos Torjäger vom Dienst, Diego Costa, laborierte seit dem Meisterschaftsfinale gegen Barcelona an muskulären Problemen im Oberschenkel. Ein Muskelfaserriss wurde gemutmaßt. Anundfürsich eine Verletzung deren Regeneration drei, vier Wochen in Anspruch nimmt. Nach Costas Besuch bei einer Wunderheilerin in Belgrad sollte dieser bereits nach einer(!) Woche wieder spielfähig sein. Ansonsten gab es personell keine unerwarteten Entscheidungen. Für den verletzten Pepe rückte Varane ins königliche Abwehrzentrum, statt dem gesperrten Xabi Alonso durfte der Deutsche Khedira ran. Bei Atletico startete, wie oben bereits erwähnt, Raul Garcia an Stelle Arda Turans.

Zerfahrene Anfangsphase, keine Wunderheilung
Beide Mannschaften waren in den ersten zwanzig Minuten in diesem Finale nicht im Stande ein flüssiges Spiel zu entwickeln. Die Anfangsphase war geprägt von Spielunterbrechungen und fehlender Passgenauigkeit wodurch beide Mannschaften nicht in der Lage waren nur eine Aktion gefährlich auf das Tor abzuschließen; dennoch bot sich ein temporeiches Spiel. Schließlich musste Diego Costa bereits früh wegen seiner Oberschenkelverletzung das Feld verlassen (9.). Simeone hatte diesbezüglich hoch gepokert und eine wichtige Auswechslung vergeudet.

Frühes Pressing oder tiefes Stehen
Atletico zeigte im Defensivspiel zwei Gesichter. Verloren die Colchoneros weit in der gegnerischen Hälfte den Ball, versuchten sie diesen schnell wieder zurückzuerobern. Im Beispiel landet ein langes Zuspiel von Juanfran direkt beim Gegner. Das aufgerückte Atletico zieht sich aber nicht zurück, sondern versucht den Ball nahe dem gegnerischen Tor wiederzuerobern, umso die Distanz zum Torabschluss möglichst gering zu halten. Gleich sechs Spieler pressen in dieser Situation tief in der Hälfte von Real.


Gelang es den Königlichen aber ihr Aufbauspiel bis über die Mittellinie aufzuziehen, rückte Atletico tief in die eigene Hälfte zurück und formierte sich in einem 1-4-4-1-1. Dieses Szenario fand im Spiel weitaus öfter statt als ersteres. Die Abwehrviererkette orientierte sich stets an der Strafraumgrenze, die Viererkette im Mittelfeld stand etwa sechs bis acht Meter vor ihr. Näherte sich Real dem Kasten von Atletico ließen sich die beiden Reihen bis auf Höhe der roten Linien fallen und verengten so den Raum zum Tor zunehmend. Außerdem unterstützten die beiden Angreifer beim Verteidigen, wobei der ballferne Stürmer stets nach hinten abfiel und so einen der zwei zentralen offensiven Mittelfeldspieler (in diesem Fall Modric) als potentielle Anspielstation aus dem Spiel nahm.


Schnelligkeit ist Trumpf
Schon gegen die Bayern erwies sich dies als Vorteil. Nur zu gut wird jedem das Tor zum 0:3 in München von Cristiano Ronaldo in Erinnerung sein. Ein Konter wie aus dem Lehrbuch, der neun Sekunden nach der Balleroberung am eigenen Strafraum im Münchener Tor endete. Wenn ein Trainer über Raketen wie CR7, Bale und Di Maria verfügt, sollte diese Spielart nicht weiter verwundern. Im Auswärtsspiel in München machten die Bayern den Madrilenen allerdings den Gefallen, ihnen massig Raum zur Verfügung zu stellen, wo Bale und Co. hineinstachen. Simeone ordnete seine Jungs aber wie gewohnt tief an, wodurch die Räume für Sprinter kleiner werden und sie somit nicht ihre Höchstgeschwindigkeit entfalten können. So kam Real nur selten in den Genuss diese Stärke auszuspielen. In der 24. Minute nach einem Fehlpass von David Villa, spielte Benzema den Konter nicht sauber zu Ende. Und in der 26. Minute, als Di Maria eine Atletico-Ecke am eigenen Strafraum erobert und acht Sekunden später am gegnerischen Sechzehner nur durch ein Foul gestoppt werden konnte.

Marcelo und Isco beleben Offensive
Im zweiten Durchgang brachte besonders die Einwechslung von Marcelo Schwung in die Offensivbemühungen der Königlichen. Im selben Zeitraum spielte der Brasilianer 50 Pässe (80% angekommen), im Gegensatz zu seinem Vormann Coentrao (27; 74%). Immer wieder tauchte Di Maria in Kombination mit Marcelo (70.) über links oder in persona Gareth Bale (73., 77.) gefährlich im Strafraum Atleticos auf. Modric interpretierte seine Rolle im zentralen Mittelfeld, ähnlich wie Khedira, aber wie für den Kroaten gewohnt, tiefstehend. Da Di Maria oftmals auf den Flügel auswich um so seine Schnelligkeit zu entfalten und Cristiano Ronaldo eher ins Sturmzentrum rochierte als ins offensive Zentralmittelfeld, entstanden bei Real zwischen Mittelfeld und Sturm große Räume, die allenfalls noch der ins Zentrum kippende Bale stopfte. Worunter besonders Karim Benzema litt, der bis zu seiner Auswechslung kaum am Spiel teilnahm. Der Franzose feuerte keinen einzigen Schuss ab, berührte den Ball nur 29-Mal und gewann von seinen elf Zweikämpfen (bei Real bestritt nur Iker Casillas weniger) nur fünf. Ein weiterer Grund waren die konservativ tief stehenden Außenverteidiger von Atletico, die sich nur selten mit ins Angriffsspiel einschalteten. Dies belegen die von Filipe Luis (24 Pässe in 83 Minuten) und Juanfran (19 in 120 Minuten) gespielten Pässe. So zogen Bale und Di Maria oft per Dribbling ins Zentrum. Schließlich revitalisierte die Einwechslung von Isco das Angriffsspiel des weißen Ballettes, der diese Lücke zwischen Sturm und Mittelfeld zu füllen wusste (93% seiner 43 Pässe fanden einen Mitspieler) und Bale eher die Möglichkeit gab, die rechte Flanke zu halten.

Pfostendeckung
Ob Mannschaften bei gegnerischen Eckstößen nun Spieler an den kurzen und/oder langen Pfosten stellen, ist von Trainer zu Trainer unterschiedlich. Grundsätzlich ist der Gedanke: Steht keiner am Pfosten, bin ich im Raum in Überzahl und erhöhe so die Wahrscheinlichkeit den Kopfball zu gewinnen. Dagegen spricht, dass der Torhüter kaum im Stande sein wird, aus solch kurzer Distanz das gesamte Tor abzudecken. Insofern würden Verteidiger an beiden Pfosten, die vom Keeper abzudeckende Fläche von 7,32 Metern Seitenlänge um etwa zwei Meter verringern. Fakt ist, dass Atletico gestern komplett auf eine Pfostendeckung verzichtete und dadurch den Ausgleich in letzter Sekunde hinnehmen musste. Selbst Thibaut Courtois mit seinen 1,99 Meter war nicht in der Lage den Ball aus dem Eck zu fischen. Und obwohl Atletico im gefährlichen Raum eine 9:5-Überzahlsituation(!) hatte, ging der Kopfball dennoch verloren.


Das Tor verteidigen
Zwei wesentliche taktische Anweisungen beim Defensivspiel, die ein Spieler schon in der U12 lernt sind: „Direkte Linie zum Tor verteidigen“ und „Mitte zumachen“. Beim alles entscheidenden 3:1 durch Marcelo beging Atletico beide Fehler. Zuerst ließ sich Godin aus der Deckung locken und überließ in seinem Rücken einen riesigen Raum, wohin Marcelo mit hohem Tempo dribbelte.


Schließlich agierten auch Godins Hintermänner nicht fehlerlos. Erst als Juanfran realisiert, dass Tiago Marcelo nicht mehr in einen Zweikampf verwickeln kann, beginnt dieser ins Zentrum zu rücken. Ebenso versucht der eingewechselte Alderweireld erst jetzt die direkte Linie zum Tor zu verstellen. Der angeschlagene Juanfran, der sich seit Beginn der Verlängerung über den Platz schleppte, da Simeone keine Möglichkeit mehr hatte zu wechseln, war nicht mehr im Stande die Lücke zu schließen und wurde außerdem durch Morata irritiert. Auch Alderweireld wirkte etwas desorientiert.

Fazit
Schließlich wirkten sich drei wesentliche Ereignisse unmittelbar auf den Spielausgang und negativ für Atletico aus:
1. Simeone verschenkte mit seiner spekulativen Aufstellung von Diego Costa eine in einem hundertzwanzigminütigem Finale wichtige Auswechslung, die vor allem in der Verlängerung für frische Defensivkräfte genützt werden hätte können (Juanfran).
2. Atletico agierte zwar über die gesamte Spielzeit bei gegnerischen Eckstößen ohne Pfostendeckung. Es stellt sich allerdings die Frage, ob es bei einer Führung in der Nachspielzeit nicht klug wäre, mit Mann und Maus das eigene Tor zu verbarrikadieren.
3. Individualtaktische Fehler besiegelten die Niederlage des Underdogs. Fehler, die wohl der ermüdenden Konzentration geschuldet waren und so zu einem früheren Zeitpunkt bei dieser defensiv herausragenden Truppe sicherlich nicht geschehen wären.