Montag, 26. Mai 2014

Real 4 Atletico 1: Drei Fehler lassen Atleticos Traum wie eine Seifenblase platzen


Schon Tage vor dem großen Spiel gab es enormes Trara um die Startaufstellungen beider Teams. Bei den Königlichen stand hinter Cristiano Ronaldo und Bale ein dickes Fragezeichen. Die Zweifel zerstäubten sich aber bereits 24 Stunden vor Anpfiff. Mit größeren Schwierigkeiten hatten die Rojiblancos zu kämpfen. Um ihren zweitgefährlichsten Torschützen in dieser CL-Saison, Arda Turan, waren ebenfalls schon tags zuvor alle Zweifel aus der Welt: Der Türke würde für einen Einsatz nicht fit. So rückte Raul Garcia in die Startelf. Und Atleticos Torjäger vom Dienst, Diego Costa, laborierte seit dem Meisterschaftsfinale gegen Barcelona an muskulären Problemen im Oberschenkel. Ein Muskelfaserriss wurde gemutmaßt. Anundfürsich eine Verletzung deren Regeneration drei, vier Wochen in Anspruch nimmt. Nach Costas Besuch bei einer Wunderheilerin in Belgrad sollte dieser bereits nach einer(!) Woche wieder spielfähig sein. Ansonsten gab es personell keine unerwarteten Entscheidungen. Für den verletzten Pepe rückte Varane ins königliche Abwehrzentrum, statt dem gesperrten Xabi Alonso durfte der Deutsche Khedira ran. Bei Atletico startete, wie oben bereits erwähnt, Raul Garcia an Stelle Arda Turans.

Zerfahrene Anfangsphase, keine Wunderheilung
Beide Mannschaften waren in den ersten zwanzig Minuten in diesem Finale nicht im Stande ein flüssiges Spiel zu entwickeln. Die Anfangsphase war geprägt von Spielunterbrechungen und fehlender Passgenauigkeit wodurch beide Mannschaften nicht in der Lage waren nur eine Aktion gefährlich auf das Tor abzuschließen; dennoch bot sich ein temporeiches Spiel. Schließlich musste Diego Costa bereits früh wegen seiner Oberschenkelverletzung das Feld verlassen (9.). Simeone hatte diesbezüglich hoch gepokert und eine wichtige Auswechslung vergeudet.

Frühes Pressing oder tiefes Stehen
Atletico zeigte im Defensivspiel zwei Gesichter. Verloren die Colchoneros weit in der gegnerischen Hälfte den Ball, versuchten sie diesen schnell wieder zurückzuerobern. Im Beispiel landet ein langes Zuspiel von Juanfran direkt beim Gegner. Das aufgerückte Atletico zieht sich aber nicht zurück, sondern versucht den Ball nahe dem gegnerischen Tor wiederzuerobern, umso die Distanz zum Torabschluss möglichst gering zu halten. Gleich sechs Spieler pressen in dieser Situation tief in der Hälfte von Real.


Gelang es den Königlichen aber ihr Aufbauspiel bis über die Mittellinie aufzuziehen, rückte Atletico tief in die eigene Hälfte zurück und formierte sich in einem 1-4-4-1-1. Dieses Szenario fand im Spiel weitaus öfter statt als ersteres. Die Abwehrviererkette orientierte sich stets an der Strafraumgrenze, die Viererkette im Mittelfeld stand etwa sechs bis acht Meter vor ihr. Näherte sich Real dem Kasten von Atletico ließen sich die beiden Reihen bis auf Höhe der roten Linien fallen und verengten so den Raum zum Tor zunehmend. Außerdem unterstützten die beiden Angreifer beim Verteidigen, wobei der ballferne Stürmer stets nach hinten abfiel und so einen der zwei zentralen offensiven Mittelfeldspieler (in diesem Fall Modric) als potentielle Anspielstation aus dem Spiel nahm.


Schnelligkeit ist Trumpf
Schon gegen die Bayern erwies sich dies als Vorteil. Nur zu gut wird jedem das Tor zum 0:3 in München von Cristiano Ronaldo in Erinnerung sein. Ein Konter wie aus dem Lehrbuch, der neun Sekunden nach der Balleroberung am eigenen Strafraum im Münchener Tor endete. Wenn ein Trainer über Raketen wie CR7, Bale und Di Maria verfügt, sollte diese Spielart nicht weiter verwundern. Im Auswärtsspiel in München machten die Bayern den Madrilenen allerdings den Gefallen, ihnen massig Raum zur Verfügung zu stellen, wo Bale und Co. hineinstachen. Simeone ordnete seine Jungs aber wie gewohnt tief an, wodurch die Räume für Sprinter kleiner werden und sie somit nicht ihre Höchstgeschwindigkeit entfalten können. So kam Real nur selten in den Genuss diese Stärke auszuspielen. In der 24. Minute nach einem Fehlpass von David Villa, spielte Benzema den Konter nicht sauber zu Ende. Und in der 26. Minute, als Di Maria eine Atletico-Ecke am eigenen Strafraum erobert und acht Sekunden später am gegnerischen Sechzehner nur durch ein Foul gestoppt werden konnte.

Marcelo und Isco beleben Offensive
Im zweiten Durchgang brachte besonders die Einwechslung von Marcelo Schwung in die Offensivbemühungen der Königlichen. Im selben Zeitraum spielte der Brasilianer 50 Pässe (80% angekommen), im Gegensatz zu seinem Vormann Coentrao (27; 74%). Immer wieder tauchte Di Maria in Kombination mit Marcelo (70.) über links oder in persona Gareth Bale (73., 77.) gefährlich im Strafraum Atleticos auf. Modric interpretierte seine Rolle im zentralen Mittelfeld, ähnlich wie Khedira, aber wie für den Kroaten gewohnt, tiefstehend. Da Di Maria oftmals auf den Flügel auswich um so seine Schnelligkeit zu entfalten und Cristiano Ronaldo eher ins Sturmzentrum rochierte als ins offensive Zentralmittelfeld, entstanden bei Real zwischen Mittelfeld und Sturm große Räume, die allenfalls noch der ins Zentrum kippende Bale stopfte. Worunter besonders Karim Benzema litt, der bis zu seiner Auswechslung kaum am Spiel teilnahm. Der Franzose feuerte keinen einzigen Schuss ab, berührte den Ball nur 29-Mal und gewann von seinen elf Zweikämpfen (bei Real bestritt nur Iker Casillas weniger) nur fünf. Ein weiterer Grund waren die konservativ tief stehenden Außenverteidiger von Atletico, die sich nur selten mit ins Angriffsspiel einschalteten. Dies belegen die von Filipe Luis (24 Pässe in 83 Minuten) und Juanfran (19 in 120 Minuten) gespielten Pässe. So zogen Bale und Di Maria oft per Dribbling ins Zentrum. Schließlich revitalisierte die Einwechslung von Isco das Angriffsspiel des weißen Ballettes, der diese Lücke zwischen Sturm und Mittelfeld zu füllen wusste (93% seiner 43 Pässe fanden einen Mitspieler) und Bale eher die Möglichkeit gab, die rechte Flanke zu halten.

Pfostendeckung
Ob Mannschaften bei gegnerischen Eckstößen nun Spieler an den kurzen und/oder langen Pfosten stellen, ist von Trainer zu Trainer unterschiedlich. Grundsätzlich ist der Gedanke: Steht keiner am Pfosten, bin ich im Raum in Überzahl und erhöhe so die Wahrscheinlichkeit den Kopfball zu gewinnen. Dagegen spricht, dass der Torhüter kaum im Stande sein wird, aus solch kurzer Distanz das gesamte Tor abzudecken. Insofern würden Verteidiger an beiden Pfosten, die vom Keeper abzudeckende Fläche von 7,32 Metern Seitenlänge um etwa zwei Meter verringern. Fakt ist, dass Atletico gestern komplett auf eine Pfostendeckung verzichtete und dadurch den Ausgleich in letzter Sekunde hinnehmen musste. Selbst Thibaut Courtois mit seinen 1,99 Meter war nicht in der Lage den Ball aus dem Eck zu fischen. Und obwohl Atletico im gefährlichen Raum eine 9:5-Überzahlsituation(!) hatte, ging der Kopfball dennoch verloren.


Das Tor verteidigen
Zwei wesentliche taktische Anweisungen beim Defensivspiel, die ein Spieler schon in der U12 lernt sind: „Direkte Linie zum Tor verteidigen“ und „Mitte zumachen“. Beim alles entscheidenden 3:1 durch Marcelo beging Atletico beide Fehler. Zuerst ließ sich Godin aus der Deckung locken und überließ in seinem Rücken einen riesigen Raum, wohin Marcelo mit hohem Tempo dribbelte.


Schließlich agierten auch Godins Hintermänner nicht fehlerlos. Erst als Juanfran realisiert, dass Tiago Marcelo nicht mehr in einen Zweikampf verwickeln kann, beginnt dieser ins Zentrum zu rücken. Ebenso versucht der eingewechselte Alderweireld erst jetzt die direkte Linie zum Tor zu verstellen. Der angeschlagene Juanfran, der sich seit Beginn der Verlängerung über den Platz schleppte, da Simeone keine Möglichkeit mehr hatte zu wechseln, war nicht mehr im Stande die Lücke zu schließen und wurde außerdem durch Morata irritiert. Auch Alderweireld wirkte etwas desorientiert.

Fazit
Schließlich wirkten sich drei wesentliche Ereignisse unmittelbar auf den Spielausgang und negativ für Atletico aus:
1. Simeone verschenkte mit seiner spekulativen Aufstellung von Diego Costa eine in einem hundertzwanzigminütigem Finale wichtige Auswechslung, die vor allem in der Verlängerung für frische Defensivkräfte genützt werden hätte können (Juanfran).
2. Atletico agierte zwar über die gesamte Spielzeit bei gegnerischen Eckstößen ohne Pfostendeckung. Es stellt sich allerdings die Frage, ob es bei einer Führung in der Nachspielzeit nicht klug wäre, mit Mann und Maus das eigene Tor zu verbarrikadieren.
3. Individualtaktische Fehler besiegelten die Niederlage des Underdogs. Fehler, die wohl der ermüdenden Konzentration geschuldet waren und so zu einem früheren Zeitpunkt bei dieser defensiv herausragenden Truppe sicherlich nicht geschehen wären.