Mittwoch, 19. November 2014

Schöpferische Zerstörung

In der Ökonomie geht der Begriff sinngemäß bereits auf Karl Marx zurück. Der Österreicher Josef Schumpeter, nach welchem in Wien-Floridsdorf eine Straße und eine Volksschule benannt sind, hat das Konzept der schöpferischen Zerstörung schließlich bekannt gemacht. Auch Friedrich Nietzsche hat ähnliches philosophiert. Grundidee ist: Fortschritt gedeiht nur, wenn fortwährend und regelmäßig an Innovationen gearbeitet wird und so bestehende Muster aus eigener Kraft zerstört werden.

Dass dieser Innovationsprozess oftmals „ein Schritt zurück, zwei Schritte vorwärts“ bedeutet, spüren gerade die Nationalmannschaften Deutschlands und Spanien. Dabei hat sich die Mannschaft gegen die Amateure aus Gibraltar nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Auch der gestrige Auftritt in Vigo war keine Augenweide, aber doch eine adrettere Leistung als freitags zuvor. Dabei zerstört Löw gerade sein Weltmeister-System und versucht sich schöpferisch an einem kompakten 3-3-3-1. Ein System, das Paul Gludovatz bereits in seiner Rieder Zeit einsetzte. Gegen den Ball hat das in Vigo schon ziemlich gut ausgesehen. Wie Löw nach dem Spiel erklärte, wurde zentral vor dem Tor ein massiver Block aufgebaut. Die Flanken wurden dabei von den Flügelspielern Rudy und Durm dicht gemacht und so mit einer Fünferabwehr agiert. So wurde gegen die furia roja, die auch nicht mehr so furios aufgeigt, wie noch vor zwei Sommern, immerhin kein Gegentreffer kassiert. In Ballbesitz wirkte die DFB-Elf im Angriffsdrittel zahnlos. Selbst die äußeren Innenverteidiger zogen bei Angriff über ihre Flanke tief in die gegnerische Hälfte auf, der entscheidende Pass wollte jedoch partout nicht gelingen. Das Anlaufen und gleichzeitige Räume öffnen könnte in Zukunft aktiver gestaltet werden. Gegen Gibraltar hingegen wurden die Flanken massiv beackert, die Hereingaben fanden aber nur selten einen Abnehmer. Sie wären wohl ein gefundenes Fressen für Kießling, Gomez oder den zurückgetretenen Klose gewesen. Apropos Rücktritte, diese sind ein weiterer Faktor für den Änderungsprozess. Allen voran Kapitän Lahm, der fußballerisch und sicherlich auch sozial eine riesige Lücke gerissen hat. Nicht zu vergessen Per Mertesacker, der in Brasilien sechs von sieben Spielen im Abwehrzentrum bestritt.

Die Deutschen scheinen den Fehler der Spanier nicht zu wiederholen, stur an einer Spielweise festzuhalten. Löw erweitert das taktische Repertoire seiner Mannschaft, wohl wissend, dass dies Geduld erfordere. Bis zur Euro in Frankreich aber genügend Übungszeit bevorsteht. Ganz im Gegensatz zu den Spaniern, die auch in Brasilien 2014 an ihrem einst innovativen Spiel festhielten und bedauerlich feststellen mussten, dass bereits die ganze Welt Maßnahmen adaptierte, der Furie die Zähne zu ziehen.

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